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DMM  Künstlerische Forschung SG INF
Dozent : Prof. Dr. Guido Kramann    eMail
Semester 1
Einordnung : Master Digitale Medien (Winter-Immatrikulation), Wahlpflicht Katalog M-DM-W SWS 4
Sprache : Deutsch Art VÜL
Prüfungsart : PL  Credits
Prüfungsform : Belegarbeit mit mdl. Prüfungsgespräch 
Voraussetzungen :
Querverweise :  
Vorkenntnisse :  
Hilfsmittel und Besonderheiten : Studien- und Prüfungsleistungen:
Semesterbegleitende Leistungen können in die Bewertung einbezogen werden. 
Lehrziele : Die Studierenden sind in der Lage den Begriff „Künstlerische Forschung“ zu erklären und gegenüber anderen Methoden zur Erkenntnisgewinnung abzugrenzen, sowie eigene Anstrengungen auf diesem Gebiet selbstkritisch zu reflektieren.
Die Studierenden haben eigenständig einen Gegenstand für ihre künstlerische Forschung gewählt, Untersuchungen an diesem Gegenstand geplant und durchgeführt, sowie die gewonnenen Erkenntnisse durch ein selbständig entworfenes und umgesetztes künstlerisches Werk für andere erlebbar gemacht. 
Lehrinhalte :

Die Studierenden wählen zu Beginn des Semesters selber etwas aus dem Kontext ihrer Studienrichtung, das sie erforschen möchten aus. Die Art in der dieses Erforschen geschieht, unterscheidet sich von der im wissenschaftlichen Betrieb gängigen Weise insofern, als für den zu erforschenden Gegenstand nicht erstrebt wird, ihn möglichst objektiv zu erfassen und zu kategorisieren, sondern er phänomenologisch, also in seiner subjektiven Wirkung auf den Untersuchenden hin, erfaßt wird. Diese sinnliche, emotionale und mentale Wirkung soll dann sehr wohl wieder Gegenstand einer systematischen, kategorisierenden, von gezielten Experimenten begleiteten Untersuchung sein.
Am Ende des Semesters sollen die Studierenden dann anderen Menschen die Gelegenheit geben, an diesen Untersuchungen und Experimenten teilzuhaben, um so den Erkenntnisprozeß, den die Studierenden durchgemacht haben, intersubjektiv nachvollziehen zu können. Bei dieser Art der Darbietung wird der Untersuchungsgegenstand aus seinem ursprünglichen Kontext herausgelöst und so transformiert , daß die untersuchten Aspekte intensiv erlebbar werden. Diese abschließende Präsentation soll an einem gesonderten Termin am Ende des Semesters öffentlich in Form einer künstlerischen Performance oder Installation erfolgen, welche gemeinsam mit einem Einführungsvortrag die zu erbringende Prüfungsleistung darstellt.
Beispielthemen
a) Stahlträger haben den Zweck, Lasten abzustützen. Zur Auslegung von Tragwerken mit dynamischer Beanspruchung werden auch deren Eigenmoden untersucht, also die Art und Weise, in denen diese Träger zu Schwingungen neigen (Knotenpunkte, Amplituden, Frequenzen). Sinnlich wahrnehmbar sind diese Eigenmoden teilweise als Töne und Klänge, die diese beim Anschlagen oder Anregen abgeben. Gegenstand der künstlerischen Forschung können hier der Zusammenhang zwischen Geometrie der Träger und den abrufbaren Klängen, sowie deren musikalischer Bedeutung gemäß der abendländischen Musiktheorie sein. Der Erkenntnisgewinn läge in einem vertieften theoretischen Wissen über diese Zusammenhänge. Exemplarisch könnte dieses Wissen in Form einer Klanginstallation weitergegeben und sinnlich erfahrbar gemacht werden.
b) Blockdiagramme sind ein probates Mittel, Prozesse und (meistens hierarchische) Strukturen zu veranschaulichen. Wie wird die persönliche Wahrnehmung der Umwelt verändert, wenn diese mit Unterstützung von Blockdiagrammen wahrgenommen wird? Welche Aspekte der Umwelt heben sie hervor, welche verbergen sie, beispielsweise wenn sie eingesetzt werden, um die Einbindung von Mitarbeitern in die Prozesse einer Firma zu veranschaulichen? Was bleibt übrig, wenn solche Diagramme nicht mehr für einen dahinter stehenden Prozeß, sondern nur noch für sich selber stehen? Gibt es Prozesse, deren Darstellung als Blockdiagramm ethisch fragwürdig wäre? Bei diesem Thema könnte die Präsentation Sinn entleerter und provozierender Blockdiagramme Gegenstand einer abschließenden künstlerischen Darbietung sein.
c) Wir sind ständig umgeben von Geräuschen. Sind diese gleichmäßig, so nehmen wir sie irgendwann nicht mehr wahr. Beispielsweise soll der Einbau einer leiseren Klimaanlage in einem Großraumbüro schon dazu geführt haben, dass sich danach die Mitarbeiter anfingen, über die Lautstärke ihrer Nachbarn zu beschweren. Andererseits kann ein PC-Pool mit leistungsfähigen Lüfter-gekühlten Rechnern schon so laut sein, dass man sich nicht dauerhaft darin aufhalten möchte. Ist es nun angenehmer, wenn die Lüfter alle gleichmäßig und damit mit gleicher Frequenz laufen, oder wenn sie ihre Drehzahl je nach CPU-Auslastung und Wärmeentwicklung anpassen? Kann es Sinn machen und ist es möglich, diese Geräusche zu harmonisieren? Und wenn ja, was würde denn als harmonisch wahrgenommen werden? Nach einer Vertiefung in die Hardware-nahe Programmierung, könnte auch eine Arbeit über dieses Thema in eine Klanginstallation münden, in diesem Fall in eine, die aus einem umfunktionierten PC-Pool besteht.
Gliederung der Lehrveranstaltung
Während die Studierenden in der zweiten Semesterhälfte begleitet durch den Dozenten und in ständigem Austausch mit ihren Mitstudierenden überwiegend an ihrem selbst gewählten Forschungsthema, bzw. deren Umsetzung als künstlerischem Werk arbeiten, werden die Studierenden in der ersten Semesterhälfte zu der für die meisten sicherlich ungewohnten Arbeitsweise hingeführt. Dies erfolgt einerseits praxisorientiert durch kleine Übungen gepaart mit der Analyse von Kunstwerken, die in einem Prozeß des künstlerischen Forschens entstanden sind und bei denen dieser Prozeß gut nachvollziehbar ist und zum anderen durch die Auseinandersetzung mit theoretischen Schriften, die dabei helfen, über die Art und Weise, wie im künstlerischen Forschen die Umwelt untersucht wird zu reflektieren. 

Literatur : Online-Präsenz dieser Lehrveranstaltung
www.kramann.info/05_KF

Literatur über Künstlerische Forschung
Klein, J., Was ist künstlerische Forschung, Institut für künstlerische Forschung, Berlin 2011, www.artistic-research.de, 04.06.2016.
Sullivan, G., Art Practice as Research, SAGE publications, London 2010.
Zürcher Hochschule der Künste, Schwarz, H.P. (Hrsg.), Kunst und künstlerische Forschung, Scheidegger & Spiess, Zürich 2010.

Literatur über Einrichtungen, bei denen in besonderer Weise künstlerische Forschung im Mittelpunkt stand und steht (Zürcher Hochschule der Künste, s.o.)
Blume, T., Hiller, C., Mensch-Raum-Maschine - Bühnenexperimente am Bauhaus, Spectormag Gbr., Leipzig 2014.
Collaborative Situated Media (COSIMA) - Projekt, am Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM), Paris 2015, http://cosima.ircam.fr/ 04.06.2016.
Harris, M.E., The Arts at Black Mointain College, MIT Press, London 1988.

Literatur zu einzelnen Künstlerpersönlichkeiten, anhand deren Werk sich die Beschäftigung mit künstlerischer Forschung darstellen läßt
Akademie der Künste Berlin (Hrsg.), Klangkunst, Prestel, München, 1996.
Arnheim, R., Entropie und Kunst – Ein Versuch über Unordnung und Ordnung, DuMont, Köln 1979.
Bischoff, U. (Hrsg.), John Cage und die Moderne,Winterscheidt, Düsseldorf 1991.
Davis, D., Vom Experiment zur Idee - Die Kunst des 20. Jahrhunderts im Zeichen von Wissenschaft und Technologie, DuMont Schauberg, Köln, 1975.
Spehr,G.(Hrsg.), Funktionale Klänge - Hörbare Daten, klingende Geräte und gestaltete Hörerfahrung, transcript, Bielefeld, 2009.
Maeda, J., Simplicity, Spektrum, München 2007.

Philosophische Werke, anhand derer künstlerische Forschung in einen größeren Kontext gesetzt werden kann
Braitenberg, V., Künstliche Wesen – Verhalten kybernetischer Vehikel, Vieweg, Braunschweig 1986.
Heidegger, M., Die Technik und die Kehre, Klett-Cotta, Stuttgart 2014.
Rorty, R., Der Spiegel der Natur – Eine Kritik der Philosophie, Suhrkamp, Berlin 2000.
Uexküll. J.von, Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen, Fischer, Frankfurt am Main 1983.

Fachliteratur, die hilfreich für die praktische Umsetzung der abschließenden künstlerischen Performance oder Installation ist
Backstein, S., Kunst aus Beton, Heinrich Druck + Medien, Frankfurt 2009.
O'Sullivan, D., Igoe, T., Physical Computing: Sensing and Controlling the Physical World with Computers, Thomson, Braunschweig (2004).
Sauter, D., Rapid Android Development: Build Rich, Sensor-Based Applications with Processing, Pragmatic Bookshelf, Dallas 2013.

Werke und Veröffentlichungen im Umfeld „Künstlerische Forschung“ des Dozenten
Klanginstallation im Pauli-Kloster mit elektromagnetisch angeregten Stahlhohlprofilen, Stadt Brandenburg 2011.
Kramann, G. Darwinian pianos: realtime composition based on competitive evolutionary process, in EvoMUSART'13 Proceedings of the Second international conference on Evolutionary and Biologically Inspired Music, Sound, Art and Design Seite 37-46, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 2013.
KIBA – Kirnberger, Individuell, BAch – Eine Komponierstation für die Internationale Bachausstellung „C. P. E. Bach – Leben, Werk und Nachwirken“ in der Konzerthalle von Frankfurt (Oder), seit 2014.
Kramann, G., A Harmonics-Based Algorithm Unifying Counterpoint and Harmony, in Computer Music Multidisciplinary Research CMMR, Plymouth 2015, S.791-804, ISBN 978-2-909669-24-3, http://cmr.soc.plymouth.ac.uk/cmmr2015/proceedings.pdf, 03.06.2016.  


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